Eulen aus Athen
Moderne Replik einer attischen Tetratrachme
Universität Wien, Münzsammlung des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte, Inv.-Nr. 10317 (Foto: Maya Lerner)
Moderne griechische Ein-Euro-Münze
Staatliche Museen zu Berlin – Münzkabinett, Inv.-Nr. 18203837 (Foto: Lutz-Jürgen Lübke)
Die vorliegenden vier Münzen stammen aus dem antiken beziehungsweise modernen Griechenland. Während die drei antiken Münzen aus fast reinem Silber bestehen, kombiniert die moderne Ein-Euro-Münze eine Nickel-Messing-Mischung für den Rand und Kupfernickel für den Kern. Die antiken Münzen wurden in Athen geprägt und spielen eine besondere Rolle in der Geschichte der Münzprägung, die um 650 vor Christus in der heutigen Türkei einsetzte. Dort wurden die ersten Münzen ausgeprägt und über ein Jahrhundert später – etwa 520 vor Christus – begann auch Athen mit einer eigenen Münzprägung. Athen nahm damit eine Vorreiterrolle ein, denn zu dieser Zeit prägten noch nicht viele griechische Stadtstaaten Münzen.
Vor allem die schwere Großsilbermünze aus Athen entwickelte sich in der antiken Welt schnell zu einem beliebten Zahlungsmittel. Diese Großsilbermünze wird Tetradrachme genannt; das bedeutet, dass sie vier Drachmen wert ist. Die Drachme bildet in Athen die Basis des Münzsystems, zu der alle anderen Münzen des Systems in Relation gesetzt werden. Denn in der Antike war das Gewicht einer Münze von weitaus größerer Bedeutung, als dies heute der Fall ist. So war die Beurteilung der Echtheit einer Münze und somit auch die Akzeptanz als legitimes Zahlungsmittel unter anderem von ihrem Gewicht abhängig. Folglich war jede antike Münze in ein Gewichtssystem eingebettet, das in der Regel die Prägeautorität bestimmte. Die Tetradrachmen aus Athen waren nach dem sogenannten euböisch-attischen Standard geprägt und wiegen etwa 17 Gramm, sie sind also ungefähr so schwer wie eine Packung Backpulver. Im Vergleich dazu wiegen die heutigen Ein-Euro-Münzen 7,5 Gramm, die Zwei-Euro-Münzen 8,5 Gramm – also ungefähr halb so viel wie die antiken Tetradrachmen.
Die eine Seite der antiken Münze zeigt den Kopf der Athena. Die Göttin trägt einen Helm, der mit einem Helmbusch und Olivenblättern verziert ist. Das Bild der Athena ist deutlich als Relief gearbeitet, sodass es sich spürbar von seinem Untergrund abhebt, auch mit Details wie dem Ohrring der Göttin. Diese Münzseite ist zudem gut anhand der Wölbung des Münzstücks nach außen zu erkennen, währe nd die andere Seite nach innen gewölbt ist.
Auf den modernen Münzen zeigt diese Seite die Wertzahl 1, die auch die österreichischen Euromünzen ziert und generell bei allen Euromünzen gleich ist. Dagegen zeigt die Rückseite der modernen griechischen Euro-Münze eine antike Tetradrachme, und zwar ebenfalls deren Rückseite. Auf den Rückseiten der Athener Münzen war eine Eule von der Seite, aber mit frontal gezeigtem Kopf zu sehen, die wegen ihrer großen Augen und des feinen Gefieders hohen Wiedererkennungswert hatte. Die Eule fungierte als eine Art Wappentier für den antiken Stadtstaat, auf das auch die modernen griechischen Ein-Euro-Münzen Bezug nehmen. Selbst der Olivenzweig schräg oberhalb der Eule wurde für das moderne Münzbild übernommen. Nur der beigefügte Text, die sogenannte Legende, weicht ab: Auf der antiken Münze standen die griechischen Buchstaben ATHE als Abkürzung für den unabhängigen Stadtstaat Athen, während die modernen Münzen mit dem Schriftzug EURO in griechischen Lettern die Zugehörigkeit Griechenlands zur Europäischen Union und zur Eurozone dokumentieren. Sowohl das antike als auch das moderne Münzbild vermittelt somit ein visuelles Symbol für eine politische Gemeinschaft.
(Maya Lerner)