Rundgang B: Kindheit in der Antike

Welche Rolle spielten Kinder in antiken Gesellschaften? Wie verhielt sich ihre Welt zu jener der Erwachsenen? Und wie wurden Kinder – in ihrer körperlichen Entwicklung und in verschiedenen Altersstufen – in der antiken Bilderwelt dargestellt? Der Rundgang macht sich auf die Suche nach antiken Realitäten und Repräsentationen von Kindheit.

B7 Kinderarbeit

[IKA, Photo: Kristina Klein]

Inv.-Nr. 115c.2

Freiermord des Odysseus aus dem Südfries des Heroons von Trysa

Wien, Kunsthistorisches Museum I 481
410/400 oder um 380 v. Chr.

Diese Szene von einem monumentalen Grabbau in Lykien (Türkei) zeigt den Helden Odysseus, der bei seiner Rückkehr die Freier tötet, zusammen mit seinem Sohn Telemachos. Am Rand des Bildfeldes befindet sich ein Kind, das dem Gemetzel zuschaut. Wer ist dieses Kind und was machen Kinder überhaupt in solchen Szenen?

Es liegt nahe, dass es sich bei dieser Figur um einen Sklaven im Kindesalter handelt, der im Palast des Odysseus auf Ithaka arbeitet. Die Odyssee berichtet uns exemplarisch von einem solchen Kindersklaven, nämlich dem Schweinehirten Eumaios, der dem verkleideten Odysseus Nahrung und Obdach bietet, als dieser nach seiner Rückkehr erstmals wieder die Insel Ithaka betritt. Obwohl in eine königliche Familie auf der Insel Syria geboren, wurde Eumaios als Kind von Piraten entführt und in die Sklaverei verkauft. In der Odyssee begegnet er uns unter anderem, wenn er sich um die königlichen Schweine an den felsigen Küsten Ithakas kümmert (Odyssee 15, 402–484).

Kindersklaverei schockiert uns heute, war in der Antike aber üblich. Das Wort für ‚Kind‘ war im antiken Griechenland dasselbe wie jenes, das üblicherweise für 'Sklave' benutzt wurde – pais. Hinter dieser begrifflichen Überschneidung steht die Vorstellung, dass weder Kinder noch Sklaven ganze Menschen waren und beiden Gruppen daher nicht die Rechte und Privilegien erwachsener Bürger zustanden.