Rundgang B: Kindheit in der Antike
Welche Rolle spielten Kinder in antiken Gesellschaften? Wie verhielt sich ihre Welt zu jener der Erwachsenen? Und wie wurden Kinder – in ihrer körperlichen Entwicklung und in verschiedenen Altersstufen – in der antiken Bilderwelt dargestellt? Der Rundgang macht sich auf die Suche nach antiken Realitäten und Repräsentationen von Kindheit.
B3 Der Jüngling
Inv.-Nr. 401
Sog. Dornauszieher
Rom, Konservatorenpalast 1186
augusteische Kopie eines Originals aus dem 3. Jh. v. Chr.
Diese berühmte Statue kennen wir sowohl durch das Bronzeoriginal, welches aus hellenistischer Zeit stammt, als auch durch mehrere Marmorkopien, die in römischer Zeit angefertigt wurden. Die Statue zeigt einen Knaben, der auf einem Felsen sitzt und einen Dorn aus seinem Fuß zieht, weshalb sie auch als 'Dornauszieher' oder 'Spinario' geläufig ist.
In der Antike waren viele Statuen ursprünglich aus Bronze gegossen. Allerdings haben sich nur relativ wenige bis in die heutige Zeit erhalten, da sie über die Jahrhunderte hinweg größtenteils eingeschmolzen wurden, um das Metall für andere Zwecke zu verwenden. Der Dornauszieher ist eine der wenigen hellenistischen Bronzen, die sich erhalten haben und die in Rom über das Mittelalter hinweg ausgestellt wurden.
In der Renaissance wurde die Skulptur zum Bezugspunkt zahlreicher Geschichten, deren berühmteste lautete, dass ein Hirte namens Gnaeus Martius darstellt sei. Dieser Knabe überbrachte dem römischen Senat eine wichtige Botschaft und machte erst danach Halt, um einen eingetretenen Dorn aus der Fußsohle zu entfernen. Wir gehen heute davon aus, dass die Statue im 1. Jahrhundert v. Chr. entstand, wobei ein älterer Kopf auf einen hellenistischen Körper aufgesetzt wurde. Wenn man genauer darauf achtet, wie sich das Haar rund um das Gesicht legt, wird deutlich, dass der Kopf ursprünglich für eine Statue in aufrechtem Stand konzipiert war. Im heutigen Zustand spiegelt die Statue also eine komplexe Geschichte wider, in der sie mehreren Änderungen und Transformationen unterworfen war.
Beide Teile der Statue, also Körper und Kopf, zeigen ein Interesse an der Darstellung von Kindern nicht in der Art verkleinerter Erwachsener, sondern in einer realistischeren, kindlichen Form. Die körperlichen Merkmale und die Frisur sind unverkennbar jene eines Jugendlichen, die weichen und schlanken Gliedmaßen unterscheiden sich merklich von denen eines Erwachsenen. Die Statue zeigt einen Knaben mitten in der Pubertät, also zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, festgehalten in einem Moment der Ruhe zwischen einer Aktivität und der nächsten.