Rundgang C: Kleidung und Nacktheit in der Antike

Wie lässt sich die soziale Dimension des Bekleidens, Ausziehens und Nacktseins fassen? Was bedeutet es, nackt zu sein? Die Antwort hängt davon ab, wer man ist und in welcher Situation man sich befindet.

C2 Unheroische männliche Nacktheit

[IKA, Photo: Kristina Klein]

Inv.-Nr. 1370

Statue eines lagernden Satyrs (sog. Schnippchenschläger)

Neapel, Nationalmuseum 5628
römische Kopie vom Ende des 1. Jhs. v. Chr. nach einem Original aus dem 3./2. Jh. v. Chr.

Nicht jede Form der Nacktheit ist heroisch. Dieser Abguss zeigt eine der wenigen erhaltenen großformatigen Bronzestatuen der Antike – ein lagernder Satyr, also ein Wesen halb Mensch, halb Ziege, das zum treuen Gefolge des Weingottes Dionysos gehört. Gefunden wurde die Statue in der sog. "Villa der Papyri" in Herculaneum. Als der Vesuv im Jahre 79 n. Chr. ausbrach, verschüttete die Vulkanasche Herculaneum und die größere Nachbarstadt Pompeji und begrub Unmengen an Funden, die sich ansonsten nicht erhalten hätten.

Die Statue stand ursprünglich am westlichen Ende eines von Säulenhallen umgebenen Hofes im Zentrum der Villa und datiert in das ausgehende 1. Jahrhunderts v. Chr. Sie ist ein Werk des Apollonios von Athen, der das Werk mit seinem Namen signierte. Die Statue scheint nach einem Standardtypus oder -modell angefertigt worden zu sein, da die Komposition der Figur von anderen Werken bekannt ist.

Der Satyr lagert auf einem Felsen, niedergesunken in betrunkenem Zustand. Neben ihm liegt ein halb geleerter Weinschlauch und seinen Kopf schmückt ein Pinienkranz mit Korymben. Er schnippt mit dem Daumen und Mittelfinger seiner erhobenen rechten Hand, eine Geste, die mit der Verehrung des Dionysos verbunden ist. Die originale Bronzestatue war sicherlich poliert und glänzte in einem dunklen Goldton, der an gebräunte Haut denken lässt. Um die Statue lebensechter wirken zu lassen, wurden die Augen aus farbigem Stein oder Glas eingelegt und die Lippen mit rotem Kupfer, die Zähne mit silbernem Zinn beschichtet.

Die Darstellung des Satyrn mit dem weichen, schlaffen Karnat eines Mannes mittleren Alters kontrastiert mit den straffen, muskulösen Körpern junger Athleten und Heroen, die für die Skulptur der klassischen Zeit üblich sind. Sein Gesicht ist entspannt in einem Ausdruck der Freude und der Unbekümmertheit, seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen und lassen die Wangen bauchig hervortreten – abermals im Gegensatz zu den ruhigen, gelassenen Gesichtern der klassischen Idealplastik. Die Nacktheit ist also alles andere als heroisch, scheint dem Satyrn aber Vergnügen zu bereiten.