Blog Catching emotions: Emotionen in der griechischen Bildwelt 2024/2025
Einleitung
Marte Zepernick und Matthias Hoernes
Vom einnehmenden Lächeln bis zum schmerzverzerrten Gesicht ‒ die Bilderflut unserer Zeit konfrontiert uns täglich mit Emotionen. Zugleich kreisen gegenwärtige gesellschaftliche Diskurse stark um Emotionen, wie Emotionalität auch gezielt inszeniert und instrumentalisiert wird, nicht zuletzt über Bildmedien. Waren Emotionen in der Bildwelt der griechischen Antike ähnlich präsent? Wie stellte man Emotionen (nicht) dar? Inwieweit berühren oder aber divergieren antike und moderne Emotionskonzepte? Und wie verhandelte man gesellschaftliche Vorstellungen von Emotionen über Bildmedien? Anhand ausgewählter Originale und Gipsabgüsse aus der Archäologischen Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie an der Universität Wien analysieren wir, mit welchen Mitteln Emotionen ins Bild gesetzt und wie die entsprechenden Emotionen bewertet wurden.
Die Erforschung von Emotionen hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit in den Altertumswissenschaften erfahren und gewährt neue Einblicke in antike Lebenswelten. Obwohl die Rekonstruktion der tatsächlich erlebten Emotionen historischer Individuen kaum möglich ist, bereichern antike Bild- und Textquellen unser kulturhistorisches Verständnis von Emotionen. Beispielsweise wurden Emotionen in öffentlichen Räumen unterschiedlich bewertet, je nachdem, ob man in der Volksversammlung saß oder an einem Fest teilnahm. Auch der soziale Hintergrund und das soziale Geschlecht der Akteure waren entscheidend ‒ Sklavinnen wurden anders ins Bild gesetzt als attische Bürger. Außerdem hatten die Konventionen bestimmter Medien Einfluss darauf, welche Emotionen in welcher Form visualisiert und welche ausgeblendet wurden.
Die Beiträge wurden von Studierenden seit dem Sommersemester 2023 außerhalb des regulären Curriculums erarbeitet. Die für das Projekt ausgewählten Beispiele beleuchten exemplarisch die jeweiligen Objekte und folgen den Interessen der Autor*innen. Auf den viel breiteren Horizont, den das Thema bietet, verweisen wir mit zusätzlichen Beiträgen: Wir werfen einen Blick auf Emotionen in der Bildwelt der ägäischen Bronzezeit, nähern uns Emotionen aus psychobiologischer Sicht an (Interview mit Claus Lamm) und reflektieren die emotionshistorische Erforschung der griechischen Bildwelt (Interview mit Viktoria Räuchle).
Empfohlene Einstiegslektüre
- D. L. Cairns (Hrsg.), A Cultural History of the Emotions in Antiquity, A Cultural History of the Emotions 1 (London 2019).
- A. Chaniotis (Hrsg.), Unveiling Emotions. Sources and Methods for the Study of Emotions in the Greek World, HABES 52 (Stuttgart 2012).
- A. Chaniotis ‒ N. Kaltsas ‒ I. Mylonopoulos (Hrsg.), A World of Emotions. Ancient Greece, 700 BC ‒ 200 AD (New York 2017).
- A. Chaniotis, Emotionen und Fiktionen. Gefühle in Politik, Gesellschaft und Religion der griechischen Antike (Darmstadt 2023).
- V. Räuchle ‒ S. Page ‒ V. Goldbeck (Hrsg.), Pathos und Polis. Einsatz und Wirkung von Emotionen im klassischen Griechenland, EmAnt 3 (Tübingen 2022).